Kapitäne in den Stürmen des Lebens
Zwei Berufsbetreuer berichten aus ihrem Alltag
Im Landkreis Freudenstadt haben etwa 1.400 Menschen aufgrund von Krankheit, Alter oder Behinderung einen rechtlichen Betreuer, der für sie Hilfen organisiert oder Post sowie Finanzen verwaltet. Zwei dieser Berufsbetreuer möchten von ihren Erfahrungen berichten. Sandra Eugen hat eine Ausbildung als Leitstellendisponentin und als Heilpraktikerin für Psychotherapie absolviert. Benjamin Krakowski ist gelernter Industriemeister und ausgebildeter Systemischer Coach. Beide führen Betreuungen nebenberuflich auf selbstständiger Basis.
Was brachte Sie zur Tätigkeit eines rechtlichen Betreuers?
Sandra Eugen: Bereits 2019 hat ein Zeitungsinserat mein Interesse geweckt. Mein ursprüngliches Ziel, eine eigene Praxis zu eröffnen, war aufgrund der Pandemie und eines Wohnortwechsels nicht möglich und so habe ich mich bei der Betreuungsbehörde beworben und meine Entscheidung bis heute nicht bereut.
Benjamin Krakowski: Durch die Pandemie hatte ich im Coaching einen Auftragsrückgang. Um für die Zukunft besser gerüstet zu sein, wollte ich mich breiter aufstellen. Die rechtliche Betreuung wurde mir durch ein Familienmitglied empfohlen. Die Erfahrungen bei der rechtlichen Betreuung bringen mich immer wieder dazu innezuhalten und dankbar zu sein für all die Selbstverständlichkeiten in meinem Alltag.
Schildern Sie bitte eine typische Alltagssituation
Benjamin Krakowski: Im Regelfall plane ich freitags die kommende Arbeitswoche. Dazu gehört es, Anträge zu stellen, Berichte über die Betreuung zu erstellen, Rechnungen für die Betreuten zu begleichen oder auch Lösungen für Kredittilgungen mit Gläubigern zu erarbeiten. Bei neuen Betreuungen kommt oft noch das Organisieren einer Wohnungsentrümpelung und die anschließende Wohnungsübergabe hinzu. Manchmal sind es auch Häuser, die im Anschluss vermietet oder verkauft werden sollen. Der administrative Bereich nimmt immer mehr zu, sodass der persönliche Kontakt zu den Betreuten leider zu kurz kommt. Seit Neuestem habe ich eine Mitarbeiterin für die administrativen Tätigkeiten, da vorher der Wochenplan oft durch kurzfristige Interventionen geändert werden musste.
Was war ist bisher schönstes Erlebnis?
Sandra Eugen: Einen Menschen mit einer psychischen Erkrankung vor der Obdachlosigkeit zu bewahren und seine existenzielle Grundlage sicherstellen zu können.
Was empfinden Sie als herausfordernd?
Sandra Eugen: Die administrative Arbeit zu bewältigen und gleichzeitig den Kontakt mit den Betreuten zu pflegen. Oft müssen schnelle Lösungen für akute Probleme gefunden oder rechtskonforme Entscheidungen getroffen werden, was die Tagesplanung schwierig macht. Allerdings ist man fast jeden Tag um mindestens eine Erfahrung reicher, die in anderen Fällen weiterhelfen kann.
Für wen kann eine Betreuertätigkeit reizvoll sein?
Benjamin Krakowski: Wer gerne seinen Arbeitsalltag selbst organisiert und für spontane Planänderungen zu haben ist, sollte sich das Aufgabenfeld des Berufsbetreuers genauer anschauen. Selbstdisziplin und manchmal auch ein „dickes Fell“ gehören zu den Kernkompetenzen.
Der DRK-Betreuungsverein und die Betreuungsbehörde beim Landratsamt Freudenstadt suchen Bewerber für diese anspruchsvollen Aufgaben. Interessenten für eine ehrenamtliche Tätigkeit erhalten weitere Informationen beim Betreuungsverein (Michaela Mast, Telefon 07441 867-1301). Ansprechpartner für eine haupt- oder nebenberufliche selbstständige Tätigkeit ist die Betreuungsbehörde (Yvonne Wurster, Telefon 07441 920-6158).